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Zur Geschichte des Brunnenplatzes und seiner historischen Quelle

 Zur Geschichte des Brunnenplatzes und seiner historischen Quelle hat der Stadtteilhistoriker Walter Klonk den folgenden Beitrag verfasst.

 

 

 


Der Lindenborn

An der kräftigen und guten Quelle hatte es ein vorchristliches Heiligtum gegeben und in seiner Nachbarschaft eine Gerichtsstätte. Darauf weist der Name Tietmali – Dietmelle – Ditmold hin (Diet=Volk, -mali/-melle= Malstatt). So war dieser Ort schon seit dem 7. Jahrhundert für die Franken, die hier ihre Herrschaft aus-weiteten, selbstverständlich der geeignete Ort für die erste Kirche im Kasseler Becken. Von ihr aus wurden die allmählich sich bil-denden Kirchgemeinden geführt. An ihr entwickelte sich das Dorf, das den Namen des Quell- und Gerichtsplatzes bis heute trägt. Um diesen Platz bildeten noch im 12. und 13. Jahrhundert die umliegenden Dörfer eine Gemeinschaft mit reichem Gemeinbesitz, aus dem sie auf Veranlassung des Erzbischofs von Mainz das Kloster Weißenstein gründeten und förderten. Heute steht dort Schloss Wilhelmshöhe. So ist dieser Quellenplatz auch ein Quellort Kasseler Geschichte. und Quelle am Fuße der Kirche wurden Herzstück des Dorfes, denn dort wurde bis ins 20. Jahrhundert die Wäsche gewaschen, das Trinkwasser geschöpft, das Vieh getränkt und geschnuddelt. Dort stand auch das Backhaus und bildete einen zusätzlichen Ort der Dorfbegegnungen.

Seit Ende des 19. Jahrhunderts führte die Industrialisierung Kassels zu raschem Bevölkerungszuwachs auch in den Dörfern, so dass die Quelle des Lindenborns, (so der historisch überlieferte Name des Brunnens) durch Leitungswassersysteme ergänzt wer-den musste und nach der Eingemeindung Kirchditmolds durch Kassel nach 1906 von der Stadt still gelegt wurde. Das Herz des alten Dorfes geriet fast in Vergessenheit. Ein Zeitungsbild von 1934 zeigt zwar noch eine Straßenpumpe, aber der Platz ist zum Holzablagerungsplatz verkommen. Backhaus und Quelle fehlen bereits. Noch bei Kriegsende gab es die Pumpe.

Der Brunnen von 1959
Nach dem zweiten Weltkrieg fanden sich einige Kirchditmolder Bürger im Bürger- und Heimatverein zusammen und forschten unter Führung des Mittelschullehrers H. Heinemann den alten historischen Plätzen und Überresten Alt-Kirchditmolds nach. Die Wiederherstellung des historischen Brunnens war eine der ersten Forderungen. Die Stadt war auch bereit, Kirchditmold zurückzu-geben, was sie ihm unbedacht genommen hatte, aber die Quelle war nicht so leicht wiederzufinden. Das zweite Heimatfest sollte bereits das Motto haben:
„Wiederherstellung des historischen Lindenborns“. „Leider“, so schrieb H. Heinemann in der Festschrift 1956, „scheiterte in diesem Jahr die Verwirklichung des Planes trotz bejahenden Beschlusses der städtischen Baukommission. Es fehlte an finanziellen Mitteln.“ Der damalige Ruf „Gebt uns unseren Lindenborn wieder!“ wurde weiter erhoben. Doch der Quellaustritt war offenbar nicht mehr zu finden, und das Wasser verteilte sich irgendwie im Hanggelände. So ließ die Stadt 1959 unter Mitwirkung des Bürger- und Heimatvereins Kirchditmold den jetzigen Brunnenplatz anlegen, in der die Quelle durch eine Umlaufpumpe mit Lei-tungswasser simuliert wurde. Das wurde damals durchaus als Provisorium verstanden. Dennoch wurde die Einweihung des neuen Platzes mit einem großen fünftägigen Bürgerfest gefeiert, zu dem der Oberbürgermeister der Stadt Kassel persönlich erschien.

Damals standen noch auf der Westseite des Platzes zwei ihn begrenzende Häuser, die dem Brunnen eine wohltuende Ecke gaben. Sie wurden um 1960 abgerissen. In diesem Zusammenhang wurde der Hang über dem Platz parkähnlich neu gestaltet. Aber seit dieser Zeit hatte der Platz seine Beachtung zunehmend verlo-ren und geriet nicht nur ins Abseits des Verkehrs, sondern trat auch kaum noch ins Bewusstsein der meisten Kirchditmolder Bürger, die damals in großer Zahl zuzogen und die Straßen über das alte Dorf hinaus bis an dessen Gemarkungsgrenzen bebauten. Doch auch jetzt hielten einige Bürger das Andenken wach und sorgten sich um den alten historischen Ort.

Die Wiederentdeckung der Quelle
Als im Jahr 2009 bei Kanalarbeiten in der Brunnenstraße der Kasseler Entwässerungsbetrieb (KEB, heute: Kasselwasser) eine überraschende Menge an „Fremdwasser“ um und im Abwasserkanal der Brunnenstraße feststellte und sich darum genötigt sah, es in einem eigenen Regenwasserkanal zu fangen und abzuleiten, sahen hier ein paar Kirchditmolder Bürger die Gelegenheit, dieses „Fremdwasser“ als das Quellwasser Altkirchditmolds zu sichern, und sie gewannen die Unterstützung des Ortsbeirats und des Umwelt- und Gartenamts und nicht zuletzt die Bereitschaft des KEB, im Zuge der geplanten Baumaßnahmen auch zur Lokalisierung des Quellwassers zu verhelfen. Doch wie?

Seit den Zerstörungen vor allem auch am Ende des zweiten Weltkriegs fehlte dem Wasser der bisherige Weg in die Brunnenkammer, und es verteilte sich im Hang.

Bei dem Versuch, eine Drainageleitung für die Ableitung des „Fremdwassers“ in den neu anzulegenden Regenwasserkanal zu graben, schnitten die Kanalbauer eine alte, bisher unbekannte, weil nirgends verzeichnete Keramikrohrleitung an, die bis unter die Schulfundamente in den Berg führt. Sie ist an vielen Stellen brüchig und von Wurzeln durchsetzt. Aus dieser Rohrleitung ergoss sich nun beim Anschnitt plötzlich das Quellwasser, und gleichzeitig versiegte es im Abwasserkanalschacht in der Straße. In dieser Leitung also sammelte sich das Quellwasser und konnte nun dort gesichert werden. Das im Hang gestaute Wasser der Wasserader findet somit auf der tieferen Kanalsohle des vergessenen Luftschutzgrabens etwa vier Meter unter Straßenniveau seinen Zusammen- und Ausfluss. Dort konnte es nun in einem dafür neu angelegten Brunnenschacht gefasst und nutzbar ge-macht werden.

An eine Rekonstruktion der alten historischen Quellnutzung konnte sinnvollerweise nicht gedacht werden. Ein Entwurf zur Neugestaltung des Platzes durch die hier engagierten Bürger wurde im Mai 2009 vom Ortsbeirat einstimmig angenommen und nach langer Entwicklungszeit von den städtischen Ämtern weitgehend umgesetzt. Das Amt für Gebäudewirtschaft der Stadt hat eine Pumpe im neuen Brunnenschacht installiert, mit deren Hilfe das Quellwasser in den alten Brunnenauslauf geleitet wird und so den Bürgerwunsch von 1959 verwirklicht. Das Umwelt- und Gartenamt der Stadt hat 2012 nach den gründlich diskutierten Entwürfen den Platz neu gestaltet.

Der neue Brunnenplatz
Der Grundgedanke der Erneuerung des Platzes ging nicht nur aus von der schon 1956 geforderten Wiederherstellung der Quelle. Der 1959 eingeweihte Brunnen sollte möglichst unangetastet bleiben, da er seine historische Würde hat, aber die wiedergefundene Quelle sollte ihr Wasser nicht nur in den Brunnentrog ergießen, sondern in Anlehnung an die Situation vor 1906 ihr Wasser über den Platz fließen lassen und so als lebendiger Bach erneut erlebt werden können. Ihr Abfluss muss ordnungshalber in den Regenwasserkanal erfolgen und kann nicht wie damals bis zur Teichstraße weiterlaufen. Diese Abflussstelle sollte dann das Wappentier der Kirchditmolder, der „Zähjenbock“, markieren. Hier hat vor allem der Bildhauer Friedrich Pohl Gestaltungsvorschläge eingebracht, die zu den drei Basaltsteinen und den darauf stehenden Ziegenböcken geführt haben. Seine Erfahrung aus dem Bau von Wasserspielen anderen Orts half wesentlich bei der Wasserführung über den Platz.

Die schwarzen Basaltsteine zeigen nun deutlich die Neuerungen.
Autor: Walter Klonk

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