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Ersterwähnung Kirchditmolds, Grund zur „Tausendjahrfeier“ 2015

 

Die schriftliche Ersterwähnung Kirchditmolds findet sich in der Vita des heiligen Heimerad, wie Stadtteilhistoriker Walter Klonk recherchiert hat. Sein Beitrag zur Ersterwähnung Kirchditmolds und dem damit gegebenen Grund zur „Tausendjahrfeier“ im Jahr 2015 folgt unter

 

 

Ersterwähnung Kirchditmolds, Grund zur „Tausendjahrfeier“ 2015

Die erste schriftliche Erwähnung eines Ortes wird als „Geburtstag“ gefeiert, obwohl er sehr viel älter sein kann. Kirchditmolds Entstehung ist auf die Zeit um 800 anzusetzen.[1] Der Nachweis der ersten schriftlichen Erwähnung Dietmelles (Ditmold)) stützt sich auf die Vita Sancti Heimeradi[2] des Hersfelder Mönches Ekkebert, geschrieben „kurz vor bis kurz nach 1077“[3] im Auftrag des Abtes Hartwig von Hersfeld. Sie beruht auf zeitnahen Erkundungen, da Ekkeberts Vater den Heiligen noch gekannt und verehrt hatte.[4] Da Ekkebert keinerlei Jahreszahlen nennt, müssen diese aus den in der Vita erzählten, historisch gesicherten Ereignissen erschlossen werden.[5] Für Kirchditmold ergibt sich dabei ein so enger zeitlicher Spielraum, dass man mit Gewissheit das Jahr 1015 annehmen muss.[6] Ekkebert erzählt nämlich, dass der Heilige nach langen Pilgerjahren zunächst im Kloster Memleben an der Unstrut Aufnahme suchte, dort aber auf Arnold, den Abt der Reichsabtei Hersfeld, traf, der ihn dorthin weiter schickte. Damals hatte Kaiser Heinrich II. gerade das verarmte Kloster Memleben zu seiner Wiederbelebung der Abtei Hersfeld überschrieben. Das war urkundlich im Februar des Jahres 1015. Damit ist das Eckdatum der weiteren Berichte gesetzt. Heimerad fand sich in Hersfeld nicht in die Klosterordnung und suchte sein Heil anderswo zu finden. Nachdem er dort mit Schimpf entlassen worden war, begab er sich zunächst nach Kirchberg (heute Ortsteil von Niedenstein), wurde aber nach kurzer Zeit von dort vertrieben, weil er angeblich Mitwisser eines Kirchenfrevels gewesen sei. So kam er nach Dietmelle. Dieser Auftrittsoll hier etwas genauer erzählt werden.

 

Heimerad gehörte zu den herumziehenden Einzelgängern,[7] die um 1000 n. Chr. in einer Erneuerungsbewegung die altchristliche Frömmigkeit der Bedürfnislosigkeit zu predigen und zu leben versuchten, im Gegensatz zu den benediktinischen Mönchsgemeinschaften und den politisch mächtigen und damit auch wohl ausgestatteten Kircheninstitutionen. Die frommen Einzelgänger fanden beim Volk Achtung und Verehrung. Ekkebert erzählt, dass der unstet herumwandernde Heilige „in villam Diethmelle“ beim Ortspriester die Erlaubnis erwirkte, die Messe lesen zu dürfen. Der Erzpriester konnte dem frommen und als Priester ausgebildeten Mann die Bitte nicht abschlagen, verwies ihn dazu aber auf eine alte, als baufällig bezeichnete Kirche, also offensichtlich ein sehr altes Bauwerk[8] Die Bauern des großen Kirchspiels liefen dem frommen Mann in Scharen zu. Das konnte dem Erzpriester nur ein Ärgernis sein, da er darin nicht nur eine persönliche Kränkung, sondern auch einen Angriff auf das von der Amtskirche geförderte Klosterwesen und die bestehende Kirchenordnung sehen musste. Hinzu kam, dass Heimerad, wie der Mönch Ekkebert erzählt, der Frau des Vikars den Segen verwehrte, weil sie in Sünde lebe: Das Zölibat war damals noch nicht verpflichtend, wurde aber von der Frömmigkeitsbewegung der Jahrtausendwende als unabdingbar gefordert. Dieser Affront war dann zuviel, und der Erzpriester ließ, wie Ekkehard dramatisierend schreibt, den Frommen mit Hunden aus dem Dorf vertreiben.

 

Heimerad zog weiter nach Paderborn, wo er aber vom Bischof Meinwerk ebenfalls mit Schimpf vertrieben wurde,[9] und kam schließlich zur ersehnten Ruhe auf der Höhe über Burghasungen. Dort wirkte er als hochverehrter Eremit und starb 1019. Nach seinem Tod entwickelten sich dort ein Kloster und die Wallfahrt zu seinem Grab .[10]

 

Man darf sicher annehmen, dass der Aufenthalt in Hersfeld eine ganze Reihe von Wochen gedauert hat und der in Kirchberg etwas weniger. Der Auftritt in Dietmelle kann deshalb nur im Sommer des Jahres 1015 gewesen sein, und es hat sicher zunächst einige Zeit gebraucht, bis sich der Ruf des als Heiligen verehrten Mannes im weiteren Umkreis des Kirchspiels herumgesprochen und zu dem wachsenden Besuch des seltsamen Heiligen geführt hat. So dürfen wir uns einen längeren Aufenthalt Heimerads in (Kirch)Ditmold vorstellen, ehe er auch hier verjagt wurde und weiterzog.

 

Wie das auch immer vorzustellen ist, so hat doch diese Episode der Heiligenvita zur Ersterwähnung Kirchditmolds geführt, und mit Gewissheit haben wir die „Tausendjahrfeier“ Kirchditmolds im Jahr 2015 zu begehen.

Autor:

Walter Klonk

Am Juliusstein 5

34130 Kassel

 

Fußnoten:


[1] Heinemeyer, Karl, Königshöfe und Königsgut im Raum Kassel, Veröffentlichungen des Max-Planck-Instituts für Geschichte, Bd. 33, Göttingen 1971, S. 149

[2] Fleck, Michael Ekkebert von Hersfeld: Das Leben des heiligen Heimerad, Veröffentlichung der Historischen Kommission für Hessen, Marburg 2014

[3] M.Fleck S. 36

[4] Keller, Hagen, Ekkeberts Vita Heimeradi, in Archiv für Kulturgeschichte, Bd. 54, S. 39; zur Glaubwürdigkeit Ekkeberts auch Hagen Keller Meinwerk… S.131

[5] M. Fleck S. 36

[6] So auch M. Fleck S. 218f.

[7] M. Fleck S.2; H. Keller Meinwerk S. 130

[8] „Post hec venit in villam Diethmelle; ubi cum essent due ecclesie, una baptismalis et una vetus neglecta, hanc sibi Heimeradus a presbitero loci illius impetravit ad celebranda ibidem divina mysteria.“ Zitat aus der Vita bei M. Fleck S.100

[9] H. Keller Meinwerk setzt hier mit guten Gründen den Jahreswechsel 1015/1016 an (S. 134)

[10] H. Keller Ekkebert S. 48

 

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